Inklusive Lernumgebungen

Einleitung in das Modul

In diesem Modul geht es darum, wie Lehrkräfte die Leistungen ihrer Lernenden durch die Schaffung einer inklusiven Lernumgebung verbessern können. Es geht darum, was Inklusion bedeutet, wie Sie als Lehrkraft den Bedarf an Inklusion in Ihrem Klassenzimmer identifizieren können und wie Sie folglich umsetzbare Schritte zur Schaffung einer inklusiven Lernumgebung skizzieren können. In diesem Modul wird über die Rolle der Lehrkraft, die Verwendung inklusiver Sprache und die Schaffung von sicheren Räumen nachgedacht. Sie bekommen auch Tipps, wie Sie Ihre Lehr- und Lernmaterialien inklusiver gestalten können.

Obwohl der Schwerpunkt dieses Trainings auf LGBTQIA+-Lernenden und -Mitarbeitenden liegt, sollten inklusiv gestaltete Lernumgebungen für alle Menschen zugänglich sein. Die hier besprochenen Prinzipien sind daher auch allgemein gültig.


1. Definition von Inklusion
Wie im vorherigen Kapitel besprochen, beeinflussen Faktoren wie die ethnische und religiöse Herkunft von Menschen, ihr Geschlecht und ihre geschlechtliche Ausdrucksweise, ihre Sexualität, ihr Alter usw. häufig, welche Chancen sie in einem (Bildungs-)system haben. Eine Lernumgebung, in der alle Lernenden den gleichen Zugang zu Bildungschancen haben und sich gleichermaßen sicher und wertgeschätzt fühlen, ist die inklusive Umgebung, die wir als Lehrkräfte anstreben sollten.

Eine solche Umgebung zu schaffen, ist keine leichte Aufgabe: Es erfordert Aufmerksamkeit, Engagement und Konsequenz, um eine proaktive Haltung gegen Diskriminierung, Stereotype und negative Einstellungen einzunehmen – und das, während die Gedanken von Lehrkräften ständig mit unzähligen anderen Dingen beschäftigt sind. Hier setzt dieses Modul an: Ziel ist es, die schwierige und abstrakte Aufgabe in kleinere, konkrete Schritte zu zerlegen, die Sie vornehmen können, um Ihren Unterricht inklusiver zu gestalten.

Um uns in der Vielzahl von Strategien zurechtzufinden, teilen wir sie in vier Hauptkategorien ein:
  1. Jede*n Lernende*n als Individuum kennenlernen und verstehen;
  2. Sichere Räume innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers schaffen;
  3. Lehr- und Lernmaterialien diversifizieren;
  4. Selbstreflexion und daran arbeiten, ein*e bessere*r Verbündete*r zu werden.
Was Inklusion nicht ist
Bevor wir beginnen, reflektieren wir noch einmal, was Inklusion bedeutet. Ganz allgemein gesprochen handelt es sich dabei um einen Ansatz zur Lösung des Problems sozialer Ausgrenzung, der am besten durch den Vergleich mit zwei anderen, konzeptionell überholten Ansätzen erklärt wird: Assimilation und Integration. Der größte Unterschied zwischen den drei Ansätzen liegt darin, wer oder was als verantwortlich für die Überwindung sozialer Ausgrenzung angesehen wird.

Modelle der Assimilation und Integration basieren auf der Annahme, dass mit dem Individuum, das Schwierigkeiten hat, sich anzupassen, etwas „nicht stimmt“ und dass dieses „Etwas“ entweder behoben oder verborgen werden muss. Beide Ansätze erfordern in gewissem Maße den Verzicht auf die eigene Identität – wobei Assimilation verlangt, dass das Individuum seine Identität vollständig aufgibt und eine annimmt, die in einem bestimmten Umfeld als „akzeptabler“ gilt, während Integration erwartet, dass das Individuum bestimmte Aspekte seiner Identität verändert und/oder verbirgt.



Während Assimilation und Integration das Individuum dafür verantwortlich machen, sich zu verändern und an das bestehende System anzupassen, sieht Inklusion das System selbst in der Verantwortung, sich an seine Mitglieder anzupassen. Die grundlegende Idee ist, dass alle Lernenden unterschiedlich sind und dass diese Unterschiede nicht eliminiert, verborgen oder minimiert, sondern anerkannt und berücksichtigt werden sollten, um die Bedürfnisse jedes Einzelnen zu erfüllen und ihre Teilnahme zu ermöglichen, ohne sie zu unterscheiden oder auszuschließen. Es werden Richtlinien, Chancen und Räume geschaffen, die Barrieren, Ungleichheiten und Diskriminierung überwinden und es allen ermöglichen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Mit anderen Worten: Das System selbst, die Lernumgebung, wird transformiert und weiterentwickelt, um alle einzubeziehen.



Wie Inklusion verstanden werden kann
Es klingt großartig – und das ist es auch –, aber die Idee der Inklusion ist nicht ganz so einfach und widerspruchsfrei, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Wenn wir über soziale Ausgrenzung sprechen, müssen wir zwangsläufig eine gewisse „Normalität“ und eine „Abweichung“ von dieser Normalität annehmen. Mit anderen Worten: Ob wir es wollen oder nicht, wir gehen davon aus, dass es „normale“ Lernende gibt und solche, die in irgendeiner Weise von dieser „Norm“ abweichen – sei es durch eine Behinderung, eine Hautfarbe, das Geschlecht, die Sexualität und so weiter. Inklusion kann als Normalisierung verstanden werden, im Sinne eines kritischen Überdenkens unseres Verständnisses von „Norm“ und einer Umgestaltung dieser Norm, sodass marginalisierte Gruppen einbezogen werden und ihre barrierefreie und diskriminierungsfreie Teilnahme an dieser „Norm“ ermöglicht wird.

Der Umgang mit dem Konzept von „Norm“ und „Unterschied“ birgt allerdings die Gefahr, in eine von zwei Fallen zu tappen. Zum einen kann es sein, dass wir bei dem Versuch, alle gleich zu behandeln, die Lebenserfahrungen unserer Lernenden – einschließlich Erfahrungen mit Diskriminierung – nicht ausreichend anerkennen. Zum anderen können diese Unterschiede verstärkt werden, indem wir ihnen zu viel Aufmerksamkeit schenken und wir die Lernenden bei dem Versuch sie einzubeziehen und sichtbar zu machen, herausstellen. Zudem ist dies sehr individuell: Manche Menschen möchten als „anders“ wahrgenommen und anerkannt werden, während andere lieber unauffällig bleiben möchten. Hier wird die Bedeutung deutlich, alle Lernenden als einzigartige Individuen zu sehen und kennenzulernen – ein Aspekt, auf den wir später noch eingehen werden.

Inklusion kann auch als Dekonstruktion verstanden werden, was sich auf das bereits erwähnte kritische Überdenken und Umgestalten unseres Verständnisses der „Norm“ bezieht. Das was dekonstruiert werden muss, ist das, was Diskriminierung produziert und reproduziert, nämlich: Narrative oder Geschichten, die wir uns selbst und anderen erzählen. Wir Menschen haben ein angeborenes Bedürfnis, Dinge, Phänomene und Ereignisse mithilfe von Geschichten zu erklären – sie sind ein natürlicher Teil unseres Lebens. Aber Geschichten können unterschiedlich sein, und sie haben ihre eigene Hierarchie: Es gibt Geschichten, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen und Geschichten, die oft ungehört bleiben. Wahrscheinlich kann niemand diese Dynamik besser erklären als die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie in ihrem TED-Talk „Die Gefahr einer einzigen Geschichte“.

☍ The Danger of a Single Story


Laut Adichie können „einzige Geschichten“ entweder das Ergebnis eines Missverständnisses und/oder eines Mangels an Wissen sein oder mit böswilliger Absicht geschaffen werden, um bestimmte Gruppen von Menschen aus irgendeinem Grund zu unterdrücken. Ein Beispiel für ein Missverständnis und mangelndes Wissen ist der fehlende Einblick in Neurodiversität, der dazu geführt hat, dass häufig anstatt von Neurodiversität und deren Auswirkungen von „Faulheits“-Narrativen die Rede ist. Ein Beispiel für Geschichten, die mit böswilliger Absicht geschaffen wurden, sind die unwissenschaftlichen und äußerst schädlichen Eugenik-Theorien, die als Rechtfertigung für Kolonialisierung entstanden und verbreitet wurden. Leider existieren diese rassistischen Narrative bis heute und haben weiterhin einen großen Einfluss auf das Leben von Millionen von Menschen.

Dies ist kein triviales Problem: Wenn man immer wieder die gleichen „einzigen Geschichten“ über sich selbst hört, fängt man irgendwann an, sie zu glauben, was wiederum das eigene Verhalten beeinflussen und dazu führen kann, dass man bestimmte Chancen verpasst. Zum Beispiel könnte eine Frau, die trotz ihrer guten Leistungen keine Karriere in einem MINT-Bereich anstrebt, dies aus dem Glauben heraus tun, dass sie mit Männern in diesem Bereich nicht mithalten könne, weil ihr oft gesagt wurde, dass Männer angeblich von Natur aus besser in Wissenschaften seien. Menschen, die „einzige Geschichten“ über andere glauben und eine gewisse Autorität haben, wie zum Beispiel Lehrkräfte, können auf dieser Basis Entscheidungen treffen, die ebenfalls erhebliche negative Auswirkungen auf das Leben und die Chancen einer Person haben können. Ein Beispiel: Eine Lehrkraft empfiehlt eine Schülerin oder einen Schüler nicht für einen Leistungskurs in einem Fach, in dem sie oder er offensichtlich talentiert und interessiert ist, weil die Lehrkraft glaubt, dass das Kind es aufgrund der finanziell schwierigen Situation der Eltern nicht schaffen würde.

Was können wir dagegen tun? Zunächst einmal ist es wichtig, sich – Adichies Ansatz folgend – zu fragen, wie Geschichten erzählt werden, wer sie erzählt und unter welchen Umständen. Ein kritischer Blick ist der erste Schritt zur Dekonstruktion: Sind diese Geschichten wirklich wahr? Wer erzählt sie und warum? Auf welchen Beweisen basieren sie? Wer profitiert davon?

Der zweite Schritt besteht darin, den leiseren und weniger gehörten Geschichten eine Stimme zu geben, um Stereotype, Klischees und Missverständnisse von „Einzelgeschichten“ entgegenzuwirken. Dies kann erreicht werden, indem Sie die Lehr- und Lernmaterialien, die Sie in Ihrem Unterricht verwenden, diversifizieren und vor allem, indem Sie aktiv zuhören und versuchen, sich in andere Perspektiven hineinzuversetzen.

Die dritte Möglichkeit, wie Inklusion verstanden werden kann, ist Empowerment. Jemanden zu empowern bedeutet wörtlich, ihm Macht zu geben: ihn zu ermutigen und ihm zu helfen, Selbstvertrauen zu gewinnen. Es ist wichtig, dass Lernende sich gehört, verstanden, ernst genommen und respektiert fühlen, wenn sie über sich selbst, ihre Probleme und ihre Lebenserfahrungen sprechen. Dies können Sie erreichen, indem Sie die Lernumgebung zu einem sicheren Raum machen, in dem jede*r sich wohlfühlt, die eigenen Erfahrungen und Perspektiven zu teilen, ohne Angst haben zu müssen, nicht ernst genommen oder diskriminiert zu werden.

Damit sind wir nun mit der Theorie fertig, die den Einstieg in die Praxis hoffentlich etwas erleichtern wird.

weitere Materialien:

☍ Theories of Inclusion



2. Inklusionsbedarfsanalyse im Unterricht
Kommen wir nun zur Inklusionsbedarfsanalyse im Unterricht: Was ist das? Wie führt man sie durch? Was sollte man beachten, und was macht man mit den Ergebnissen?

Wie bereits erwähnt, ist es entscheidend, Ihre Lernenden als Individuen kennenzulernen, um eine inklusive Lernumgebung zu schaffen. Durch den täglichen Austausch mit den Lernenden und die Beobachtung ihrer Arbeit im Unterricht können Sie viel lernen. Beobachtung ist zwar ein wertvolles Werkzeug, aber manchmal ist es einfacher, schneller und zuverlässiger, die Lernenden direkt anzusprechen und sie nach ihren Bedürfnissen zu fragen.

Eine der einfachsten Möglichkeiten, dies zu tun, ist eine Umfrage zu Beginn des Kurses. Stellen Sie Ihren Lernenden Fragen, die sie gerne beantworten und die Ihnen die Informationen geben, die Sie benötigen: Wie ist Ihr bevorzugter Name? Welche Pronomen verwenden Sie? Wie würden Sie sich selbst in drei Worten beschreiben? Was erwarten Sie von diesem Kurs? Wie lernen Sie am besten? Haben Sie besondere Bedürfnisse oder Anforderungen in Bezug auf Barrierefreiheit? usw.

Die Bedarfsanalyse sollte auch eine Bewertung Ihrer Leistung und der Lernatmosphäre durch die Lernenden beinhalten. Mit Hilfe eines anonymen Fragebogens können Sie später feststellen, ob die Inklusionsbedürfnisse in Ihrem Kurs erfüllt werden. Er kann Ihnen Hinweise darauf geben, was Sie bereits gut machen und was Sie ändern könnten, um die Lernumgebung noch inklusiver zu gestalten.

Der Schwerpunkt eines solchen Fragebogens kann je nach Ihren Zielen und dem Aspekt der Inklusion, auf den Sie sich konzentrieren möchten, variieren. Ein Ziel (oder eines Ihrer Ziele) könnte sein, das Klassenklima zu bewerten:
  • Wie fühlen sich Ihre Lernenden im Unterricht?
  • Wie ist ihr Verhältnis zueinander?
  • Gibt es Anzeichen für Mobbing?
Sie könnten Ihre Lernenden auch bitten, die Inklusivität der Lehr- und Lernmaterialien oder Ihrer Lehrmethoden insgesamt zu bewerten:
  • Fühlen sie sich repräsentiert?
  • Wie werden ihre Lebenserfahrungen in den Materialien reflektiert?
  • Sehen sie Sie als eine Person, der sie sich anvertrauen können?
  • Erleben sie Ihre Lehrmethoden als inklusiv?
Auch wenn es unmöglich ist, in einer kurzen Liste von Fragen allen Schnittstellen gerecht zu werden, kann ein solcher Fragebogen Ihnen dennoch nützliche Informationen liefern.


Fragebogen: Was ist zu beachten?
Der Aspekt der Anonymität ist bei solchen Fragebögen von entscheidender Bedeutung. Denken Sie daran: Es gibt ein Machtgefälle. Als Lehrkraft haben Sie eine gewisse Machtposition gegenüber Ihren Lernenden; in manchen Fällen können Lehrkräfte sogar Entscheidungen treffen, die die Zukunft ihrer Lernenden beeinflussen. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, können diese Machtverhältnisse das Verhalten Ihrer Lernenden, was sie bereit sind zu teilen und wie ehrlich sie über ihre Erfahrungen in Ihrem Unterricht sprechen, beeinflussen. Die Sicherheit, dass sie nicht mit ihren Antworten in Verbindung gebracht werden und dass die Antworten vertraulich bleiben, ist der Schlüssel zu ehrlichem Feedback. Daher sollten Sie vermeiden, nach Informationen zu fragen, die die Identität Ihrer Lernenden offenbaren könnten, wie Namen, Lernenden-IDs oder E-Mail-Adressen. Ein weiterer Aspekt, der Ihre Lernenden beunruhigen könnte, ist, dass ihre Antworten anhand ihrer Handschrift zurückverfolgt werden können. Um dies zu vermeiden, sollten Sie entweder offene Fragen in Ihrem Papierfragebogen vermeiden und stattdessen Multiple-Choice- oder Likert-Skalen-Fragen (stimme völlig zu bis stimme überhaupt nicht zu) verwenden oder auf Online-Plattformen wie Mentimeter, SurveyMonkey, Typeform oder Google Forms zurückgreifen. Vergessen Sie nicht, Ihren Lernenden zu versichern, dass ihre Antworten anonym bleiben und erklären Sie ihnen bei Bedarf, wie der Prozess funktioniert. Transparenz schafft Vertrauen!

Ebenso wichtig ist es, respektvolle und inklusive Sprache zu verwenden, damit sich Ihre Lernenden sicher fühlen, ihre Meinungen zu äußern. Später in diesem Modul erhalten Sie spezifische Tipps, wie Sie dies umsetzen können.

Es gibt weitere Aspekte, die bei der Erstellung eines Fragebogens zu beachten sind. Die erste und wichtigste Regel lautet: Versuchen Sie, Ihre Fragen frei von Annahmen zu formulieren. Suggestive Fragen, die die Antworten Ihrer Lernenden beeinflussen könnten oder Ihre eigene Meinung zum Thema bzw. Ihre Erwartungen an die Antworten offenlegen, sollten vermieden werden. Stellen Sie außerdem sicher, dass die Fragen einfach und leicht verständlich sind, um Verwirrung und damit Einflussnahme auf die Ergebnisse zu vermeiden.

Lernende mit Behinderungen können unterschiedliche Bedürfnisse in Bezug auf Barrierefreiheit haben, die berücksichtigt werden müssen. Beispielsweise könnten Sie die Schriftgröße und den Kontrast für sehbehinderte Lernende anpassen.

Wenn Sie Ihre Ergebnisse erhalten haben, nehmen Sie sich die Zeit, diese zu analysieren und Muster und Bereiche für Verbesserungen zu identifizieren. Sobald Sie kurz- und langfristige Maßnahmen definiert haben, um die durch die Umfrage angesprochenen Bedürfnisse und Anliegen anzugehen, sollten diese konkretisiert und in einen Aktionsplan umgesetzt werden. Wichtig: Der Plan muss realistisch und nachhaltig genug sein, damit Sie ihn tatsächlich umsetzen können. Besser nicht perfekt, aber machbar, als perfekt und unerreichbar.

Denken Sie daran: Feedback sollte ernst, aber nicht persönlich genommen werden. Es wird die Methode kritisiert – die stets angepasst und verbessert werden kann – und nicht die Lehrkraft als Person. Allein die Tatsache, dass Sie sich die Zeit und Mühe nehmen, Ihren Lernenden zuzuhören und auf ihre Anliegen einzugehen, zeigt, dass Ihnen ihr Wohl am Herzen liegt – und das bleibt ihnen nicht verborgen.

Schauen Sie sich diese Fragen an - was könnte an ihnen nicht stimmen?





Fragen für die Inspiration
Fragen zu demografischen Daten (Optional und anonym)
  • Welche der folgenden Optionen beschreibt Ihre Geschlechtsidentität am besten? (Mehrfachauswahl, einschließlich „Möchte ich nicht angeben“)
  • Welche der folgenden Optionen beschreibt Ihre sexuelle Orientierung am besten? (Mehrfachauswahl, einschließlich „Möchte ich nicht angeben“)
Gefühle von Sicherheit und Inklusion
  • Auf einer Skala von 1-5: Wie sicher fühlen Sie sich, Ihre wahre Identität im Klassenzimmer auszudrücken?
  • Wie oft fühlen Sie sich einbezogen/ausgeschlossen?
Curriculum and Repräsentation
  • Haben Sie das Gefühl, dass das Curriculum eine vielfältige Bandbreite an Identitäten und Erfahrungen widerspiegelt? (Ja/Nein/Teilweise)
  • Fühlen Sie sich persönlich durch das aktuelle Curriculum repräsentiert?
Peer-Interaktionen
  • Haben Sie Mobbing oder Diskriminierung im Klassenzimmer beobachtet? (Ja/Nein)
  • Haben Sie persönlich Mobbing oder Diskriminierung im Klassenzimmer erlebt? (Ja/Nein)
Unterstützung durch die Lehrkraft
  • Fühlen Sie sich wohl dabei, Ihre Lehrkraft bei Anliegen zur Inklusion anzusprechen? (Ja/Nein/Teilweise)
  • Was denken Sie, braucht unser Klassenzimmer, um inklusiver und sicherer zu werden? (Bieten Sie mehrere Auswahlmöglichkeiten an, lassen Sie Platz für eigene Antworten)
weitere Materialien:

☍ Wie man Inklusion im Klassenzimmer fördert:

☍ Lernen für Gerechtigkeit. Ressourcen für Pädagogen:



3. Ihre Rolle als Lehrkraft
Wir haben darüber gesprochen, was Inklusion bedeutet, und einige Methoden diskutiert, mit denen Sie die Inklusionsbedürfnisse in Ihrem Klassenzimmer identifizieren können. Lassen Sie uns nun ein wenig abschweifen und über die menschliche Natur sprechen.
Das menschliche Bedürfnis, zu sortieren und zu organisieren
Wir Menschen verfügen über grundlegende kognitive Tendenzen wie Kategorisierung und Stereotypisierung, die uns im Laufe der Geschichte geholfen haben zu überleben, wenn es darum ging, schnell und effizient Urteile zu fällen und damit Entscheidungen zu treffen, bei denen es um viel ging. Wer ist Freund, wer Feind? Welche Pflanze ist essbar, welche giftig? Welches Tier ist harmlos, welches möchte Sie als Abendessen? – In der fernen Vergangenheit hing das Überleben der Menschen davon ab, diese Fragen schnell und richtig zu beantworten und Dinge in die Kategorien „vertraut und sicher“ und „fremd und gefährlich“ einzuordnen. Mitglieder anderer Stämme konnten Ressourcen beanspruchen oder neue Krankheiten mitbringen, und so versuchten Menschen, sich bestmöglich vor solchen Gefahren zu schützen. Schließlich wurden unsere Gehirne darauf programmiert, diese Prozesse automatisch durchzuführen.

Vieles hat sich seither geändert, doch diese Mechanismen bestehen weiterhin. Sie helfen uns noch immer, die riesige Menge an Informationen zu verarbeiten, die uns umgibt, doch sie bringen auch versteckte Risiken und Gefahren mit sich. In unserer modernen Welt führen diese Mechanismen häufig zu Vorurteilen und Diskriminierung, da wir weiterhin Menschen kategorisieren und stereotypisieren – oft basierend auf ihrem äußeren Erscheinungsbild. Dieses gibt uns Informationen über ihre Herkunft, ihr Geschlecht, ihren sozialen Status und vieles mehr. Dabei laufen wir Gefahr, die ganze Komplexität der Individualität und der Erfahrungen der Menschen zu ignorieren.

Kategorisieren und Stereotypisieren ist etwas, das jeder tut, selbst jene, die glauben, sie täten es nicht. Man braucht sich dafür nicht zu schämen: Es geschieht automatisch, unbewusst und unmittelbar. Vielleicht ist es Ihnen selbst schon aufgefallen: Wenn dieser Prozess aus irgendeinem Grund nicht abgeschlossen werden kann, empfinden wir Irritation. Zum Beispiel können Menschen, die nicht unmittelbar in die binären Kategorien „Mann“ oder „Frau“ passen, manchmal diese Reaktion bei anderen auslösen: Es entsteht Irritation, weil der Kategorisierungsprozess nicht abgeschlossen werden kann. Ähnlich wie ein Computer, der mit einer komplexen Rechenaufgabe kämpft, finden wir es schwierig, mit Dingen umzugehen, die nicht in bestehende Kategorien passen. Daraus entsteht der Drang, die Kategorisierung abzuschließen, was weniger einfühlsame Menschen dazu veranlassen kann, die Privatsphäre einer Person zu verletzen und unangenehme Fragen zu stellen, die sie unvermeidlich unwohl fühlen lassen.


Implizite und explizite Vorurteile
Da kommen auch kognitive Verzerrungen ins Spiel. Zum Beispiel bevorzugen, interpretieren und favorisieren wir Informationen, die unsere bereits bestehenden Überzegungen bestätigen oder verstärken. Dies wird als Bestätigungsfehler (confirmation bias) bezeichnet. Wenn wir eine neue Person treffen, gegen die wir aufgrund ihres Aussehens unbewusste oder bewusste Vorurteile haben, suchen wir automatisch nach Eigenschaften und Verhaltensweisen, die unsere Stereotype über die Gruppe, der sie angehören, bestätigen.

Als wäre das nicht genug, beeinflussen unzählige Faktoren die Art und Weise, wie wir die Welt und andere Menschen wahrnehmen – ohne dass uns dies bewusst wird. Wie privilegiert wir sind, welche Erfahrungen wir im Leben gemacht haben, welche Medien wir konsumieren, was die Menschen um uns herum denken und vieles mehr: All dies prädisponiert uns für bestimmte Meinungen und Perspektiven, wenn wir uns nicht mit uns selbst und unseren Überzeugungen auseinandersetzen.

Lehrkräfte sind leider keine Ausnahme. Was uns jedoch von den meisten Menschen unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir in unserem Klassenzimmer Macht haben. Wenn diese kognitiven Prozesse unkontrolliert bleiben, können sie den Erfolg und das Wohlbefinden unserer Lernenden gefährden. Deshalb müssen wir unsere Vorurteile hinterfragen und bewusst an unseren Einstellungen arbeiten. Die Art und Weise, wie wir uns anderen Menschen gegenüber verhalten, wie wir Noten vergeben, wie wir Aufmerksamkeit schenken oder Dinge erklären, kann stark von unseren Vorurteilen beeinflusst werden. Was können wir also dagegen tun? Die Antworten liegen in Bewusstheit und kritischer Selbstreflexion, in einer offenen Haltung, in Empathie und in kontinuierlicher Selbstbildung.

Der erste Schritt, Vorurteile zu überwinden, besteht darin, sich seiner eigenen persönlichen Vorurteile, Gedanken und Gefühle bewusst zu werden. Es ist wichtig, die eigenen Überzeugungen und Einstellungen zu reflektieren. Können Sie Vorurteile bei sich selbst erkennen? Woher kommen sie? Wie manifestieren sie sich in Ihrem Alltag?
Vorurteile können explizit und implizit sein. Während explizite Vorurteile bewusste Einstellungen und Überzeugungen umfassen, derer man sich bewusst ist und die man kontrollieren kann, beziehen sich implizite Vorurteile auf unbewusste Einstellungen oder Stereotype, die unser Verständnis, unsere Handlungen und Entscheidungen beeinflussen.

Es ist oft schwierig zu erkennen, welche impliziten Vorurteile man hat, wenn man sich nicht an eine konkrete Situation erinnert, in der man sie durch Analyse der eigenen Gedanken und Handlungen feststellen konnte. Wenn Sie Zweifel haben, gibt es Tools, die Ihnen helfen können, diese zu erkunden. Hier können Sie einen speziell für diesen Zweck entwickelten Test ausprobieren:

☍ https://implicit.harvard.edu/implicit/takeatest.html

Suchen Sie Feedback von anderen Personen mit unterschiedlichen Hintergründen, Identitäten und Fachkenntnissen. Der Fragebogen, den wir im vorherigen Kapitel besprochen haben, könnte ein guter Ausgangspunkt sein. Er ermöglicht es Ihnen herauszufinden, wie Ihre Lernenden Sie wahrnehmen und welche Dinge sie an Ihnen bemerken, die Ihnen selbst möglicherweise nicht auffallen.


Was kann getan werden?
Sobald Sie Ihre Vorurteile erkannt haben, hinterfragen Sie sie, indem Sie sich unterschiedlichen Perspektiven, Erfahrungen und Informationen aussetzen, die Ihre bestehenden Ansichten widersprechen oder erweitern. Welche „einzelnen Geschichten“ beeinflussen Ihre Wahrnehmung? Wer erzählt sie und zu welchem Zweck? Haben Sie schon einmal die andere Perspektive gehört, die vielleicht ein wenig leiser ist?

Erwarten Sie nicht, dass Minderheiten Ihnen ihre Probleme erklären – seien Sie proaktiv und beginnen Sie damit, sich mit Informationen zu bilden, die bereits für Sie zugänglich sind. Setzen Sie sich mit den Geschichten und Erfahrungen von Angehörigen von Minderheiten auseinander und hören Sie ihnen zu. Das kann durch persönliche Interaktionen, das Lesen von Memoiren, das Anschauen von Dokumentationen oder das Folgen von Aktivist*innen oder Minderheitenvertretungen in sozialen Medien geschehen. Das nächste Mal, wenn Sie ein Buch lesen oder einen Film anschauen möchten, ziehen Sie in Betracht, etwas auszuwählen, das von einem Autor oder einer Autorin aus einer Minderheit geschrieben oder produziert wurde. Dies ist eine gute Möglichkeit, eine neue Perspektive zu gewinnen und mögliche „einzelne Geschichten“, die Sie haben könnten, zu erweitern. Hier sind einige Empfehlungen für Sie:

Bücher:
Tomorrow Will Be Different von Sarah McBride | ISBN-13 = 978-1524761479
Sister Outsider von Audre Lorde | ISBN-13 = 978-3-446-26971-2


Als Lehrkraft liegt es in Ihrer Macht, Ihr Privileg zu nutzen, um Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in Ihrem Klassenzimmer anzugehen und Ihre Unterstützung für marginalisierte Gruppen zu zeigen. Mit anderen Worten: Es liegt in Ihrer Macht, ein*e gute*r Verbündete*r für sie zu werden.

Gute Verbündete zeichnen sich dadurch aus, dass sie bereit sind, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Veränderungen zu unterstützen und dafür einzutreten. Während schlechte Verbündete lediglich performativ handeln und eine ablehnende Haltung gegenüber Feedback zeigen, hören gute Verbündete aktiv zu und lernen aus den Erfahrungen marginalisierter Gruppen. Sie verstärken die Stimmen derjenigen, die sie unterstützen, anstatt sie zu überstimmen. Zudem erkennen und nutzen sie ihr Privileg, um echte positive Veränderungen herbeizuführen.

Schlechte Verbündete neigen dazu, Menschen aus marginalisierten Gruppen als „Token“ zu nutzen, um sich selbst moralisch gut darzustellen, anstatt sie ehrlich zu unterstützen. Jemanden als Token zu benutzen bedeutet, ein Mitglied einer marginalisierten Gruppe auf eine oberflächliche oder symbolische Weise einzubinden, oft um den Anschein von Diversität und Inklusion zu erwecken. Dabei werden keine positiven Veränderungen am System oder an der Institution vorgenommen. Stattdessen wird die bloße Anwesenheit marginalisierter Personen – die meist schon erhebliche Schwierigkeiten hatten, überhaupt Zugang zu diesem System zu erhalten – betont, um die Institution nach außen hin als minderheitenfreundlich darzustellen, und das auf Kosten dieser Personen. Leider ist dies immer noch eine gängige Praxis.




Es gibt Möglichkeiten, wie Sie Ihre Verbundenheit mit und Unterstützung von marginalisierten Gruppen gegenüber Ihren Lernenden zeigen können – und sollten. Wir halten dies für wichtig, da es zur Schaffung einer Atmosphäre der Inklusivität und Sicherheit in Ihrem Klassenzimmer beiträgt (auf dieses Thema werden wir in späteren Kapiteln zurückkommen). Beispielsweise können Sie Ihre Unterstützung signalisieren, indem Sie inklusive Sprache verwenden, Ihre bevorzugten Pronomen teilen, Flyer und Poster mit LGBTQIA+-Themen ausstellen, die Pride-Flagge in Ihrem Klassenzimmer aufhängen und lernendengeleitete Initiativen, die Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion voranbringen, fördern und unterstützen.


4. Inklusive Sprache
Es ist an der Zeit, über inklusive Sprache zu sprechen und darüber, wie man sie verwendet. Das Hauptziel inklusiver Sprache ist es, Wörter und Ausdrücke zu vermeiden, die entweder diskriminieren oder Gruppen von Menschen aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sozioökonomischem Status, Behinderung, sexueller Orientierung oder anderen Identitätsmerkmalen ausschließen. Es handelt sich um eine Kommunikationsweise, die Vielfalt anerkennt, allen Menschen Respekt entgegenbringt, Unterschiede berücksichtigt und Chancengleichheit und Gleichberechtigung fördert.




Es ist kein Geheimnis, dass Sprache die Art und Weise, wie wir denken, formt und beeinflusst. Nehmen wir den Einfluss des generischen Maskulinums auf unser Denken als Beispiel. Das generische Maskulinum bezieht sich auf die Verwendung von männlichen Substantiven und Pronomen, um alle Geschlechter oder Personen mit unbekanntem oder nicht spezifiziertem Geschlecht zu bezeichnen. Die Verwendung des generischen Maskulinums war Gegenstand unzähliger Studien in vielen geschlechtsspezifischen Sprachen, und es wurde jedes Mal festgestellt, dass sein Gebrauch zu männlichen Vorstellungen führt. Mit anderen Worten: Wenn wir „Polizisten“ oder „Vorsitzende“ hören, denken wir automatisch an Männer, selbst wenn diese Wörter alle Geschlechter einbeziehen sollen.

Studien haben gezeigt, dass die Verwendung des generischen Maskulinums im Vergleich zu inklusiver Sprache in Stellenanzeigen negative Auswirkungen auf die Bereitschaft von Frauen und nicht-binären Personen haben kann, sich auf die ausgeschriebenen Stellen zu bewerben. Der Grund dafür ist, dass die männliche Ausrichtung der Formulierungen unklar macht, ob der Arbeitgeber ausschließlich Männer oder Mitarbeiter*innen jeden Geschlechts sucht.

Dieser Effekt wurde auch bei Grundschulkindern beobachtet. In Studien erhielten sie Berufsbezeichnungen entweder in geschlechtsneutraler Sprache oder im generischen Maskulinum zusammen mit der Jobbeschreibung und wurden später gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, diesen Beruf in der Zukunft auszuüben. Die Ergebnisse zeigten, dass Mädchen sich eher vorstellen konnten, „typisch männliche“ Berufe zu ergreifen, wenn diese in inklusiver Sprache (z. B. „Polizist*in“ statt „Polizist“) präsentiert wurden.

Dies zeigt, dass das generische Maskulinum trotz der guten Absicht, alle Menschen einzuschließen, uns dennoch an Männer denken lässt. Geschlechtsneutrale Sprache ist auf kognitiver Ebene weitaus effektiver, wenn es um Inklusion geht. Aber wie verwendet man sie? Im Deutschen gibt es verschiedene Möglichkeiten, gendergerechte Sprache zu verwenden, um alle Geschlechter einzubeziehen und sprachliche Gleichberechtigung zu fördern. Eine häufig genutzte Methode ist die Doppelnennung, bei der sowohl die männliche als auch die weibliche Form ausgeschrieben wird, zum Beispiel „Lehrer und Lehrerinnen“ oder „Kollegen und Kolleginnen“. Alternativ kann der Genderstern (*) oder der Gender-Doppelpunkt (:) verwendet werden, etwa in Form von „Lehrer*innen“ oder „Kolleg:innen“. Ähnlich funktioniert das Binnen-I, das männliche und weibliche Formen kombiniert, wie in „LehrerInnen“ oder „KollegInnen“.

Zudem besteht die Möglichkeit, geschlechtsspezifische Begriffe durch neutrale Formulierungen zu ersetzen, etwa „Lehrkräfte“ statt „Lehrer*innen“ oder „Studierende“ statt „Studenten und Studentinnen“. Auch Partizip-Formen, wie „die Lernenden“ oder „die Arbeitenden“, bieten eine gute Option, geschlechtsneutrale Sprache zu nutzen. Im Plural lassen sich geschlechtsneutrale Formulierungen oft besonders einfach realisieren, beispielsweise „alle, die arbeiten“ oder „diejenigen, die studieren“.

Wenn man über Personen spricht, deren Geschlecht man nicht kennt, kann man anstelle von „er“ oder „sie“ den neutralen Begriff „die Person“ verwenden, z. B.: „Die Person hat gesagt, dass…“. Statt „sein“ oder „ihr“ lässt sich „deren“ nutzen, etwa in dem Satz: „Die Person hat deren Buch vergessen.“




Achten Sie darauf, abwertende Begriffe und beleidigenden Slang zu vermeiden. Verzichten Sie auf Begriffe, die eine herabsetzende Konnotation haben. Überlegen Sie, personenzentrierte Sprache zu verwenden, wie z. B. „ein*e Lernende mit Autismus“ anstelle von „autistische*r Lernende“ oder, noch schlimmer, „Autist*in“, um zu vermeiden, dass sich Ihre Lernenden auf ihren Autismus reduziert fühlen. Der Begriff „Autist“ als Substantiv impliziert, dass der Autismus die Person definiert, während „ein*e Lernende mit Autismus“ betont, dass der Autismus nur eine von vielen Eigenschaften dieser Person ist.

Dasselbe gilt für Wörter wie „Homosexuelle“. Die Verwendung des Begriffs „Homosexuelle“ kann entmenschlichend und objektifizierend wirken, nicht nur weil er Menschen auf ihre sexuelle Orientierung reduziert, sondern auch, weil der Begriff eine negative Konnotation hat und in diskriminierender medizinischer Literatur verwendet wurde. Es ist respektvoller, Begriffe wie „schwul“ oder „lesbisch“ zu verwenden.

Wie in den vorherigen Modulen erwähnt, sollten Sie Lernende mit ihren bevorzugten Namen und Pronomen ansprechen. Namen sind ein wesentlicher Teil unserer Identität und die Verwendung des gewählten Namens sowie der richtigen Aussprache ist eine einfache Möglichkeit, Ihren Lernenden zu zeigen, dass Sie sie respektieren und akzeptieren.

Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Ihnen ein Fehler unterläuft – Fehler gehören zum Lernprozess dazu. Was zählt, ist Ihre konsequente Anstrengung und die Bereitschaft, dazuzulernen!

weitere Materialien:

Studie: Untersuchung des Beginns einer männlich geprägten Interpretation von maskulinen Generika bei französischsprachigen Kindergartenkindern

☍ frontiersin.org

Studie: Erinnern reicht möglicherweise nicht aus: Überwindung der männlichen Dominanz des generischen Maskulinums

☍ journals.sagepub.com

Studie: Ja, ich kann! Auswirkungen geschlechtergerechter Stellenbeschreibungen auf die Wahrnehmungen von Kindern hinsichtlich Berufsstatus, Berufsschwierigkeit und beruflicher Selbstwirksamkeit.

☍ researchgate.net

Studie: Veränderung von Erwartungen: Wie geschlechtergerechte Stellenbeschreibungen die Wahrnehmungen und das Interesse von Kindern an traditionell männlichen Berufen beeinflussen.

☍ sciencedirect.com



5. Inklusive Räume
Der Begriff „sicherer Raum“ (engl. safe space) wurde eine Zeit lang verwendet, bevor klar wurde, dass er irreführend sein kann. Dieser Begriff beschreibt einen physischen oder wahrgenommenen Raum, der frei von Diskriminierung und Gewalt ist, was jedoch voraussetzt, dass ein solcher Raum existieren und absolut sicher sein kann. Hier wird es problematisch: Selbst in sicheren Räumen kann es Diskriminierung, Vorurteile, Stereotype und Gewalt geben. Der neuere Begriff „sichererER Raum“ (engl. safer space) wurde eingeführt, um dieses Problem zu adressieren. Er betont die Relativität von Sicherheit: Sicherheit bedeutet für verschiedene Menschen etwas Unterschiedliches. Nicht jeder fühlt sich in derselben Umgebung sicher, und trotz bester Absichten sind wir manchmal blind für bestimmte Probleme und können auch unabsichtlich rücksichtslos handeln.

Einen „sichereren Raum“ zu schaffen bedeutet, eine Umgebung zu gestalten, in der sich alle wohl genug fühlen, um sich auszudrücken und Erfahrungen zu teilen, ohne Angst vor Diskriminierung oder Verurteilung. Dies ist besonders im Bildungsbereich wichtig, da Studien immer wieder zeigen: Chronischer Stress und nicht adressierte psychische Gesundheitsprobleme haben negative Auswirkungen auf die schulischen Leistungen von Lernenden. Anders gesagt: Lernen kann zu einem aussichtslosen Kampf werden, wenn man gestresst ist oder sich nicht sicher fühlt.

Minderheitengruppen sind von diesem Problem besonders betroffen, da ihr marginalisierter Status sie anfälliger für Diskriminierung, Vorurteile und Ausschluss macht – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Klassenzimmers. So berichten LGBTQIA+-Lernende durchgehend von höheren Stresslevels und häufiger auftretenden psychischen Gesundheitsproblemen im Vergleich zu ihren heterosexuellen und cisgeschlechtlichen Mitschüler*innen. Dies führt oft zu schlechteren schulischen Leistungen und höheren Abbruchquoten. Doch die Situation ist nicht hoffnungslos: Es gibt Maßnahmen, die Sie ergreifen können, um zu helfen – Maßnahmen, die letztlich für alle Lernenden in Ihrem Klassenzimmer von Vorteil sein werden.


Den physischen Raum sicherer machen
Lassen Sie uns zunächst über den physischen Raum sprechen. Wir haben bereits erwähnt, wie Sie Ihr Klassenzimmer dekorieren können, um eine Atmosphäre der Inklusion und Sicherheit zu schaffen: Beispielsweise durch das Aufhängen der Pride-Flagge, das Bereitstellen von Informationsflyern und ähnlichem. Darüber hinaus können Sie Poster und Sticker verwenden, die den „sichereren Raum“-Status Ihres Klassenzimmers signalisieren.

Selbst einfache, grundlegende Dinge wie die Platzierung der Tische können zu einer freundlicheren und offeneren Atmosphäre beitragen. Studien zeigen, dass die Sitzordnung im Klassenzimmer einen Einfluss auf Lernen, Motivation, Teilnahme sowie auf die Beziehungen zwischen Lernenden und zwischen Lehrenden und Lernenden hat.

Beispielsweise führt ein traditionelles Klassenzimmer mit Sitzreihen, die alle in dieselbe Richtung ausgerichtet sind, dazu, dass Lehrkräfte mehr Zeit mit Frontalunterricht verbringen und die Lernenden weniger aktiv mit dem Lernmaterial und untereinander interagieren. Im Gegensatz dazu fördern Sitzordnungen in runder oder hufeisenförmiger Anordnung, dass Lehrkräfte und Lernende mehr aktive Lernaktivitäten durchführen. Das führt zu besseren Lernergebnissen und mehr Freundschaften unter den Lernenden. Diese Anordnung nimmt zudem einigen Lernenden die Angst davor, sich zu äußern oder an Diskussionen teilzunehmen.

Es gibt viele internationale Aktionstage, die es wert sind, beachtet zu werden. Es ist eine gute Idee, internationale Aktionstage in Ihrem Kalender zu markieren und sie als Gelegenheit zu nutzen, um auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen, indem Sie Informationen bereitstellen und Ihre Lernenden über Unterstützungsmöglichkeiten informieren. Hier sind einige wichtige Aktionstage:
Internationaler Tag zur Beseitigung der Rassendiskriminierung 21. März
Internationaler Tag der Sichtbarkeit von Transgender-Personen 31. März
Internationaler Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie 17. Mai
Internationaler Tag der älteren Menschen 1. Oktober
Internationaler Tag der Toleranz 16. November
Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen 3. Dezember
Tag der Menschenrechte 10. Dezember

Auf den offiziellen Webseiten der Vereinten Nationen und der UNESCO finden Sie Kalender und Informationsmaterialien zu den Aktionstagen, die Sie nutzen können, um sich selbst und Ihre Lernenden weiterzubilden.

☍ un.org

☍ unesco.org


Überlegen Sie, Ihr Klassenzimmer entsprechend zu dekorieren, um die Aktionstage zu feiern - all das wird dazu beitragen, dass sich das Klassenzimmer einladender anfühlt.


Wahrgenommener sicherer Raum
Um einen wahrgenommenen sichereren Raum zu schaffen, gibt es mehrere Dinge, auf die Sie achten sollten: Zunächst einmal ist es wichtig zu erkennen, dass Ihre Handlungen und Worte unbeabsichtigte Auswirkungen auf andere haben können und dass deren Gefühle unabhängig von Ihren Absichten gültig sind. Dies gilt auch für Ihre Lernenden. Die physischen und emotionalen Grenzen aller Beteiligten im Bildungsprozess sollten respektiert werden. Wenn jemand eine Grenze überschreitet, machen Sie diese Person darauf aufmerksam, gehen Sie jedoch nicht automatisch von böser Absicht aus: Wir alle lernen und Fehler zu machen ist Teil dieses Prozesses.

Diese Ratschläge haben eine breitere Relevanz: Vermeiden Sie es grundsätzlich, Annahmen über andere zu treffen. Gehen Sie nicht davon aus, dass Sie die Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung, gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Status, Religion, Herkunft, Überzeugungen usw. einer Person kennen. Viele Behinderungen sind unsichtbar, ebenso wie die Herausforderungen, mit denen Menschen leben. Ein Beispiel: Menschen mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) müssen oft große Anstrengungen unternehmen, um mit anderen mitzuhalten, was jedoch häufig fälschlicherweise als mangelnde Motivation oder Faulheit wahrgenommen wird. Es gibt Menschen, die doppelt so hart arbeiten müssen, nur um „wie alle anderen“ zu wirken – entwerten Sie ihre Anstrengungen nicht. Es gibt LGBTQIA+-Lernende, die entweder noch dabei sind, sich selbst zu finden, oder die aus Angst vor Ablehnung noch nicht bereit sind, sich zu outen. Diese sollten nicht von Unterstützungsangeboten ausgeschlossen werden, nur weil angenommen wird, sie seien nicht Teil der LGBTQIA+-Community. Andernfalls bringen Sie diese Lernenden in die unangenehme Lage, nach Unterstützung fragen zu müssen und dadurch Informationen über sich preiszugeben, die sie möglicherweise noch nicht bereit oder willens sind zu teilen.

Dies führt uns zum nächsten wichtigen Punkt: Achten Sie darauf, die Vertraulichkeit zu wahren und die persönlichen Informationen Ihrer Lernenden zu schützen. Drängen Sie niemanden dazu, persönliche Fragen zu beantworten, wenn sie sich damit unwohl fühlen und behandeln Sie das, was Ihnen anvertraut wird, vertraulich. Was Ihnen mitgeteilt wird, sei es freiwillig oder gezwungenermaßen, ist nicht dazu bestimmt, mit anderen, einschließlich Familie oder Freunden, geteilt zu werden. Gehen Sie nicht davon aus, dass jemand bestimmte Informationen über jemanden bereits kennt, nur weil Sie eine Beziehung zwischen diesen Personen wahrnehmen.

Zu persönlichen Informationen können beispielsweise Behinderungen, geschlechtliche Vergangenheit einschließlich „Dead Names“ (Geburtsnamen, die eine trans Person nach der Transition nicht mehr verwendet), sexuelle Orientierung und Ähnliches gehören. Diese Informationen ohne Zustimmung offenzulegen, kann unvorhersehbare Folgen für die betroffene Person haben – wobei der Vertrauensverlust Ihnen gegenüber leider das geringste Problem wäre.

Vergessen Sie bei all dem nicht, auch auf sich selbst und Ihre Sicherheit zu achten! Wenn Sie selbst einer Minderheit angehören, fühlen Sie sich nicht verpflichtet, Ihren Lernenden etwas über sich selbst oder Ihre Lebenserfahrungen mitzuteilen, wenn Sie sich dabei unwohl fühlen.

weitere Materialien:

Studie: Faktoren, die mit dem akademischen Erfolg von Studierenden aus sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten sowie heterosexuellen cisgeschlechtlichen Studierenden zusammenhängen

☍ oro.open.ac.uk

Sitzordnung im Klassenzimmer

☍ poorvucenter.yale.edu

Sicherer und Sichererer Raum: Der Unterschied

☍ queer-lexikon.net

Richtlinien für einen sichereren Raum

☍ mentalhealthcommission.ca



6. Inklusive Unterrichtsmaterialien
Die Förderung von Inklusion und Bewusstsein durch die Darstellung von Vielfalt in Ihren Lehr- und Lernmaterialien ist ein äußerst wirkungsvolles Werkzeug, das allen in Ihrer Klasse zugutekommt. Dies hilft nicht nur Lernenden mit unterschiedlichen Hintergründen und mit verschiedenen Bedürfnissen, erfolgreich zu sein, sondern vermittelt auch ein wesentlich realistischeres Bild der unglaublich vielfältigen Welt, in der wir leben und fördert so Akzeptanz und Verständnis. Der Kontakt mit verschiedenen Perspektiven regt dazu an, kritisch über unterschiedliche Standpunkte nachzudenken und ein umfassenderes Verständnis der Welt zu entwickeln.

Inklusive Lehrmaterialien sind entscheidend für die emotionalen, kognitiven und sozialen Aspekte des Lernens. Wenn Lernende sich in den Materialien wiederfinden, sind sie eher bereit, sich zu engagieren und aktiv an den Klassenaktivitäten teilzunehmen. Repräsentation fördert das Zugehörigkeitsgefühl und vermittelt den Lernenden, dass sie ein wertvoller Teil der Lerngemeinschaft sind. Dies kann ihr allgemeines Wohlbefinden steigern und das Gefühl der Isolation oder Marginalisierung verringern.

Materialien, die die Identität und Erfahrungen der Lernenden widerspiegeln, können den Lernstoff verständlicher und damit leichter merkbar machen. Darüber hinaus können unterschiedliche Vorbilder in den Unterrichtsmaterialien den Lernenden die Möglichkeit geben, sich selbst in verschiedenen, sonst scheinbar unerreichbaren Rollen, zu sehen und ihre Ziele und Ambitionen erweitern.

Jede*r Lernende ist einzigartig. Um Inklusion und Bewusstsein effektiv zu fördern, müssen Lehrkräfte die verschiedenen Arten von Vielfalt in ihren Klassen erkennen. Dies umfasst Aspekte wie ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Sprache, sozioökonomischer Status usw. und wie diese sich überschneiden, wie bereits in anderen Modulen behandelt. Ein intersektionaler Ansatz ist unerlässlich, um das Ziel der Diversifizierung von Lehr- und Lernmaterialien effektiv zu erreichen. Der erste Schritt besteht also darin, Ihre Lernenden kennenzulernen – ein Thema, das wir bereits im Kapitel zur Bewertung von Inklusionsbedürfnissen besprochen haben. Wie Sie sehen, ist das Kennenlernen Ihrer Lernenden die Grundlage für jegliche Verbesserung der Inklusivität in Ihrem Unterricht!

Der nächste Schritt besteht darin, Ihre aktuellen Lehr- und Lernmaterialien zu analysieren, um Verbesserungsbedarf zu erkennen. Berücksichtigen Sie das Feedback Ihrer Lernenden und analysieren Sie Ihre Materialien aus der Perspektive verschiedener Überschneidungen. Dabei können Ihnen folgende Fragen helfen:
  1. Spiegeln Ihre Materialien unterschiedliche kulturelle und ethnische Hintergründe wider?
  2. Beziehen die verwendeten Materialien verschiedene sexuelle Orientierungen und Familienstrukturen ein?
  3. Wie wird Geschlecht dargestellt? Wird es als binär oder als Spektrum dargestellt? Sind Frauen, nicht-binäre und trans Personen in unterschiedlichen Rollen und Kontexten repräsentiert, um Stereotypen zu vermeiden?
  4. Sind Menschen mit Behinderungen repräsentiert? Wie wird ihre Behinderung dargestellt?
  5. Finden Sie stereotype Beschreibungen oder Darstellungen? Werden mehrere Perspektiven zu einem Thema dargestellt?
Es ist eine schwierige, aber oft notwendige Aufgabe, Defizite nicht nur in Ihren eigenen Materialien, sondern auch in Büchern und Lehrplänen zu erkennen. Diese sind nicht immer perfekt in Bezug auf Vielfalt und Inklusion. Zögern Sie nicht, Materialien zu ändern oder auszulassen, die den Diversitätstest nicht bestehen.


Arbeiten mit vorhandenen Materialien
Je nach Fach gibt es Situationen, in denen Sie historische Texte und Materialien einführen müssen, die möglicherweise beleidigende Sprache, einschließlich rassistischer und ethnischer Beleidigungen, anti-LGBTQIA+-Rhetorik oder andere abwertende oder entmenschlichende Referenzen enthalten, die die historischen Realitäten ihrer Entstehungszeit widerspiegeln. In solchen Fällen sollten Sie Ihre Lernenden vorwarnen, bevor Sie mit diesem Material arbeiten. Betonen Sie, dass es sich um ein Produkt seiner Zeit handelt und daher abwertende Begriffe enthält, die heute nicht mehr verwendet werden sollten. Machen Sie Ihre Haltung zu diesem Thema klar: Sie werden die Verwendung dieser Begriffe im Klassenraum nicht tolerieren.

Es gibt Möglichkeiten, um kontroverses historisches Material wie dieses auszugleichen. Zum Beispiel können Sie eine Geschichtsstunde erweitern und über die Geschichte und Kultur des Landes, in dem Sie leben, hinausblicken. Sie können in Ihren Unterricht und Ihre Aufgabenstellungen Bezüge und Analogien zu anderen Kulturen einbauen. Dies zeigt nicht nur, dass Perspektiven zu bestimmten Themen weltweit unterschiedlich gewesen sind, sondern ermöglicht es auch Lernenden aus verschiedenen kulturellen Hintergründen, sich persönlich mit dem Thema der Diskussion zu identifizieren. Eine weitere hervorragende Strategie besteht darin, unterschiedliche Redner*innen und Aktivist*innen einzuladen, die verschiedene Perspektiven beitragen und reale Kontexte zu verschiedenen Themen herstellen können. Versuchen Sie, immer mehrere Perspektiven zu einem bestimmten Thema einzubeziehen, um kritisches Denken und Empathie zu fördern, insbesondere wenn dieses Thema soziale Fragen betrifft. Ermutigen Sie die Lernenden, sich kritisch mit dem Material auseinanderzusetzen, die Vielfalt der präsentierten Perspektiven zu hinterfragen und zu diskutieren.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Lehrkräfte bei der Durchführung Ihres Unterrichts das Bedürfnis verspüren, einen strikten, kontrollierenden Ansatz zu verfolgen. Dennoch werden die wertvollsten Lektionen oft durch die eigenen Erfahrungen der Lernenden vermittelt. Indem man im Unterricht etwas Freiraum für Erkundung lässt, wird eine tiefere Verbindung zum Unterrichtsmaterial ermöglicht. Gruppenarbeiten sind ebenfalls eine gute Möglichkeit, Lernende mit unterschiedlichen Perspektiven innerhalb der Gruppe zu konfrontieren und ihnen die Gelegenheit zu geben, gemeinsam Probleme zu untersuchen und zu lösen.


Wie man Reproduktion von Stereotypen vermeiden kann
Es gibt Themen, die von Lehrkräften angesprochen werden müssen. Ungleichheit und Machtverhältnisse sind unglaublich schwierige Themen, insbesondere aus einer privilegierten Position heraus. Dennoch ist es wichtig, dass Lernende sehen, dass ihre Lehrkräfte sich der Ungleichheit bewusst sind und diese aktiv ansprechen. Um über Ungleichheit zu sprechen, können Sie Beispiele aus der Geschichte, aktuelle Ereignisse oder hypothetische Szenarien verwenden. Der Einsatz von realen Beispielen, mit denen sich die Lernenden identifizieren können, ist offensichtlich effektiver, da dies ihr Verständnis verbessern und ihnen helfen kann, diese Themen als etwas Aktuelles und Relevantes zu sehen, anstatt sie als Relikte der Vergangenheit zu betrachten (wie es oft bei Problemen, die Frauen betreffen der Fall ist). Wenn sich das Thema Ihres Unterrichts gut dazu eignet, Ungleichheit anzusprechen, ziehen Sie in Betracht, Ihre Materialien zu erweitern, um dieses Thema in die Diskussion miteinzubeziehen, indem Sie relevante Geschichten und Beispiele einbringen.

Was Sie auf jeden Fall vermeiden sollten, ist die Reproduktion von Stereotypen und Ungleichheiten, die Sie ansprechen. Betrachten Sie die beiden folgenden Beispiele:


    Beispiel 1
    Eine ältere Lehrerin spricht mit einer Klasse junger Erwachsenen über Misogynie. Sie präsentiert ihnen Stereotype über Frauen, von denen sie glaubt, dass sie angesprochen und widerlegt werden müssen. Doch die Lernenden wirken verwirrt: Sie scheinen diese Stereotype noch nie zuvor gehört zu haben. Man hört einige Lernende in der Klasse kichern. Ein Lernender denkt: „Hey, da könnte ein Fünkchen Wahrheit in dem sein, was sie gerade gesagt hat“, und ignoriert dabei völlig die Versuche der Lehrerin, die eingeführten Stereotype zu widerlegen. Andere Lernende beginnen, weitere frauenfeindliche Stereotype über Frauen zu äußern. Die weiblichen Lernenden sehen unwohl und verärgert aus.


Hier haben wir ein Beispiel für die unabsichtliche Reproduktion von Stereotypen im Klassenzimmer. Die Lehrerin ist selbst eine Frau, höchstwahrscheinlich eine Feministin und ihre Absichten waren unbestreitbar gut. Vielleicht hat sie all die negativen Dinge, über die sie spricht, selbst erlebt und wollte der neuen Generation von Frauen einfach helfen, indem sie diese anspricht. Aber wo ist es schiefgegangen?

Stereotype entstehen nicht nur, verändern sich und verschwinden, sondern hängen auch vom sozioökonomischen und historischen Hintergrund eines bestimmten Landes oder einer Region ab. Stereotype über weiße Frauen werden sich von Stereotypen über Frauen of Colour unterscheiden, ebenso wie Stereotype über Frauen aus verschiedenen sozialen Schichten (daher der intersektionale Ansatz). Sie werden auch von Land zu Land unterschiedlich sein. Die Stereotype, die ältere Menschen haben, werden sich von denen der jüngeren Menschen unterscheiden, weil diese in unterschiedlichen historischen Kontexten aufgewachsen sind. Daher sollte man nicht davon ausgehen, dass du und deine Lernenden die gleichen Vorurteile teilen. Sie so auszudrücken, wie es die Lehrerin in unserem Beispiel getan hat, lässt vergessene Stereotype in den Köpfen der Menschen wieder aufleben.

Eine bessere Idee wäre es, den Lernenden eine Aufgabe oder eine Situation zu präsentieren, die ihr tatsächliches Denken aufzeigt, etwas, das potenziell ihre Weltanschauung irritieren könnte. Zum Beispiel ein Text, der subtil Geschlechterrollen unterwandert und den Leser entweder dazu bringt, zu glauben, er wisse schon aufgrund bestimmter Merkmale die Geschlechter der Charaktere, lange bevor sie enthüllt werden. Oder ein Text, der ihn ständig seine Annahmen im gesamten Text hinterfragen lässt, nur um seine Erwartungen am Ende zu untergraben. Dieser Moment der Irritation, verursacht durch diese unterwanderte Erwartung, könnte genutzt werden, um Selbstreflexion bei Ihren Lernenden anzuregen. Die anschließende Diskussion könnte mit folgenden Fragen geführt werden: Was hat dich dazu gebracht, so zu denken? Warum? Spiegelt diese Vorstellung wirklich die Realität wider?

Ein weiterer wichtiger Punkt: Stereotype auf diese Weise anzusprechen und die Menschen dazu zu bringen, kritisch über ihre eigenen Überzeugungen nachzudenken, ist sehr nützlich, aber vergessen Sie nicht, auch die Vertreter der marginalisierten Gruppe, über die Sie sprechen und die in Ihrer Klasse sind, zu empowern! Nun zum nächsten Fall der unabsichtlichen Reproduktion von Stereotypen:


    Beispiel 2
    Ein Lehrer plant, im Unterricht Asexualität zu thematisieren. Die meisten seiner Lernenden scheinen weder etwas über diese sexuelle Orientierung gehört zu haben noch sich jemals Gedanken darüber gemacht zu haben. Der Lehrer sagt ein paar Worte darüber, was Asexualität bedeutet, und fährt fort, Stereotype über asexuelle Menschen und die Art und Weise, wie sie oft missverstanden werden, zu thematisieren. Später präsentiert er den Lernenden Informationen, die zeigen, warum diese Stereotype unbegründet sind. Die Stunde ist vorbei, und die Lernenden verlassen den Klassenraum. Obwohl der Lehrer sein Bestes getan hat, um die notwendigen Informationen zu vermitteln, können die Lernenden das Gefühl nicht abschütteln, dass Asexualität etwas von Natur aus Merkwürdiges ist. Man hört, wie die Lernenden immer noch über die negativen Dinge diskutieren, die sie über asexuelle Menschen im Unterricht gehört haben.


Hier ist ein weiteres Beispiel für die unabsichtliche Reproduktion von Stereotypen. Die Lernenden wussten nichts über Asexualität: weder die Wahrheit noch die Missverständnisse. Die Diskussion mit der Einführung von Missverständnissen über Asexualität zu beginnen, war weder notwendig noch eine gute Idee: Was man zuerst hört (insbesondere wenn es etwas Negatives ist), bleibt am besten im Gedächtnis haften. Die anfänglichen negativen Assoziationen bleiben bestehen, ganz gleich, was danach kommt.

Der Lehrer hätte die Stunde definitiv mit einer offenen Diskussion beginnen und die Lernenden fragen sollen, was sie bereits wissen, um ihnen dann Informationen über Asexualität und die Erfahrungen asexueller Menschen zu vermitteln. Die Missverständnisse und Fehlinterpretationen, die höchstwahrscheinlich während der Präsentation und Diskussion auftauchen, sollten direkt angesprochen werden. Diese sollten jedoch von den Lernenden selbst kommen, als Ergebnis ihres aktiven Umgangs mit dem neuen Konzept und nicht von Ihnen als Lehrkraft eingeführt werden

Stellen Sie sich vor, es gäbe eine asexuelle Person in dieser Klasse, die sich noch nicht geoutet hat. Wie würde sich diese Person während des Unterrichts oder unmittelbar danach fühlen, wenn sie die Diskussionen ihrer Klassenkameraden hört? Sie würde sich höchstwahrscheinlich unwohl, ausgegrenzt und unsicher fühlen. Als Lehrkräfte wollen wir solche Situationen vermeiden.

Wenn Sie Themen und Fragen ansprechen, die Minderheiten betreffen, ist es wichtig, daran zu denken, dass Sie als Person und als Lehrkraft nicht isoliert existieren und keine vollkommen neutrale Position beanspruchen können. Das bedeutet nicht, dass Sie ein schlechter Mensch sind oder dass Sie diese Themen nicht ansprechen dürfen, es sei denn, Sie gehören selbst zu der marginalisierten Gruppe, über die Sie sprechen möchten. Machen Sie Ihren Lernenden deutlich, dass Sie sich Ihres eigenen Privilegs bewusst sind, und stellen Sie sicher, dass Ihr Wissen und Ihre Quellen von Vertretern der betreffenden marginalisierten Gruppe stammen: Autor*innen, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen oder Aktivist*innen. Wenn Sie Vertreter*innen dieser Gruppe in Ihrer Klasse haben, lassen Sie sie wissen, dass Sie nicht behaupten, es besser zu wissen als sie, und dass Sie offen dafür sind, mehr zu lernen.

Leider ist es ein weit verbreitetes Missverständnis, dass das Sprechen über Queerfeindlichkeit, Sexismus, Rassismus usw. zu deren Existenz beiträgt. Mit anderen Worten: Manche Menschen denken, dass diese Dinge verschwinden würden, wenn wir nicht über sie sprechen – was leider ein Wandel ist, der nicht durch Schweigen erreicht werden kann. Einige Lehrkräfte zögern, über Diskriminierung zu sprechen, weil sie nicht wollen, dass ihre Lernenden „herausfinden“, dass es Menschen auf der Welt gibt, die sie aufgrund ihrer Identität möglicherweise nicht mögen. Diese Sorge ist jedoch unbegründet: Für die Lernenden wird dies keine Neuigkeit sein. Ein Problem wird es hingegen definitiv sein, wenn Sie Ihren Lernenden die Möglichkeit verweigern, die Ressourcen, die Stärkung und die Unterstützung zu erhalten, die sie benötigen, um mit den Realitäten umzugehen, in denen wir derzeit leben. Haben Sie keine Angst, diese Themen und Fragen in Ihrem Unterricht anzusprechen – die oben beschriebenen Strategien werden Ihnen dabei helfen.

weitere Materialien:

Die Rolle der Vielfalt und des multikulturellen Bewusstseins in der Bildung

☍ drexel.edu

Ressourcen für die Entwicklung eines LGBTQIA+ inklusiven Klassenzimmers

☍ glsen.org

Nachdenken über Anti-Bias-Erziehung in Aktion

☍ antibiasleadersece.com




7. Checkliste Review, Reflexion
Hier ist eine Checkliste, um Sie an alles zu erinnern, was Sie in diesem Modul gelernt haben. Kreuzen Sie die Punkte an, wenn Sie das Gefühl haben, sie erfolgreich abgeschlossen zu haben:
  • Ich verstehe, was Inklusivität bedeutet und wie sie sich von Assimilation und Integration unterscheidet.
  • Ich verstehe die Funktionen der Inklusivität.
  • Ich weiß, worauf ich achten muss, wenn ich den Bedarf an Inklusivität in der Klasse einschätze.
  • Ich kenne die Plattformen, die ich nutzen kann, und habe Ideen für Fragen.
  • Ich habe Wege kennengelernt, um als Lehrkraft Selbstreflexion zu betreiben.
  • Ich weiß, was inklusive Sprache ist und wie ich sie anwenden kann.
  • Ich kenne die Schritte, die ich unternehmen muss, um einen sichereren Raum in meiner Klasse zu schaffen.
  • Ich habe gelernt, wie ich meine Lehrmaterialien inklusiver gestalten kann.
  • Ich weiß, wie ich vermeiden kann, Stereotype zu reproduzieren.
Reflexionsfragen:
  1. Was bedeutet Inklusion für Sie persönlich? Welche Methoden nutzen Sie, um Ihre Klasse inklusiv zu gestalten? Welche der in diesem Modul beschriebenen Methoden könnten Sie sich vorstellen, in Ihrer Klasse anzuwenden?
  2. Denken Sie an die impliziten Vorurteile, die Sie möglicherweise haben. Woher kommen sie? Wie beeinflussen sie Ihr Leben als Lehrkraft? Wie könnten Sie diesen Einfluss minimieren?
  3. Würden Sie Ihre Lehrmaterialien als vielfältig und inklusiv beschreiben? Welche Änderungen würden Sie vornehmen, um den Aspekt der Inklusivität zu verbessern?